Interview für die Linzer Kirchenzeitung im April 2007
zum Download: Kirchenzeitung0704.pdfAmazonien steht heuer im Zentrum der Kampagne der Brüderlichkeit. Gibt es dafür (einen) konkrete(n) Anlass(e)?
Der Aufruf „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium” den der Priester spricht, wenn er den Gläubigen das Aschenkreuz auf die Stirne zeichnet, soll nicht nur den einzelnen Menschen in seinem individuellen, rein persönlichen Umfeld ansprechen, sondern soll auch ganz besonders als Appell an die Gemeinde, an die Gemeinschaft der Gläubigen, an die Gesellschaft verstanden werden. Darum heißt es auch „Bekehrt euch!” und nicht „Bekehre dich!”
Natürlich ist die persönliche Dimension sehr wichtig und jede und jeder ist immer wieder aufgerufen, umzukehren, sich zu besinnen, dem Leben „Sinn” aus dem Evangelium zu geben. Aber, diese Umkehr hat eben eine gemeinschaftliche oder gesellschaftliche Komponente. Alle Menschen sind eingeladen, den Weg einzuschlagen, den Jesus vorgezeichnet und vorgelebt hat.
Genau das ist der Hintergrund der in Brasilien seit 1964 in der Fastenzeit stattfindenden „Kampagne der Geschwisterlichkeit”. Jedes Jahr wird ein ganz besonderes Thema gewählt, das über den innerkirchlichen Bereich hinaus aktuell und brennend ist. Vergangenes Jahr ging es um die „Behinderten”. Die Kampagne von 2005 war zu zweiten Mal ökumenisch und hatte zum Thema „Solidarität und Frieden”. 2004 ging es um das „Wasser” als Lebenselement, 2003 um die Alten Menschen, 2002 um die Indigenen Völker. Der Slogan von 2001 war „Leben ja, Droge nein!”. Die Kampagne von 2000 war die erste ökumenische und hatte „Menschenwürde und Frieden” zum Leitmotiv gewählt. Solche Themen betreffen alle Gesellschaftsschichten und fordern selbstverständlich auch die politisch Verantwortlichen und die Regierung heraus.
Heuer heißt das Thema „Geschwisterlichkeit und Amazonien”. Es war nicht einfach, die Zustimmung des zuständigen Gremiums in der Bischofskonferenz zu erhalten, weil so manche Bischöfe fürchteten, dass mit der Wahl einer bestimmten Region Brasiliens in Zukunft jeder anderen Region dasselbe Recht eingeräumt werden muss. Aber schließlich war doch entscheidend, dass keine andere Region Brasiliens so sehr die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erregt. Brandrodung, Abholzung, skrupellose Ausbeutung der Naturreichtümer, Versteppung, Verseuchung der Wasserläufe durch das Quecksilber der Goldgräber, Mammutprojekte zur Energiegewinnung sind seit langem Schlagzeilen in den Medien des In– und Auslandes. Die ganze Welt zeigt Interesse an Amazonien. Mehr noch: die ganze Welt bangt um Amazonien! Diese Tatsache ist für Brasilien ein Auftrag, sich auf die Problematik dieser Region zu besinnen und die Kirche darf hier nicht auf das letzte Trittbrett eines abfahrenden Zuges springen, sondern muss Lokomotive sein und eine brasilien– und sogar weltweite Diskussion und Gewissensbildung auslösen.