Seit der Ermordung von Sr. Dorothy vor zwei Jahren scheint die Kirche in Ihrer Diözese verstärkt unter Druck zu geraten. Was passiert da und wie erleben Sie das? Was sind die Gründe für die neuen Attacken?

Ich fordere nach wie vor die lückenlose Aufklärung des Mordes an Schwester Dorothy. Drei sind – noch nicht rechtskräftig – verurteilt. Einer der Auftraggeber sitzt in Untersuchungshaft, ein zweiter saß. Jetzt darf er in Freiheit auf den Prozess warten. Ob dieser zweite Großgrundbesitzer jemals vor Gericht kommt, ist fraglich. Ich bin absolut nicht einverstanden, dass es bei diesen fünf bleibt. Es sind noch andere verwickelt, andere Holzhändler und Großgrundbesitzer, sogar Bürgermeister und Gemeindevertreter. Es gibt im Fall Dorothy solche, die direkt am Mordanschlag beteiligt sind. Es gibt aber auch diejenigen, die das Verbrechen indirekt durch Verleumdungen und wiederholte gemeine Anschuldigungen vorbereitet, also das Umfeld geschaffen haben, das früher oder später zu dieser grauenhaften Bluttat führen musste. Durch meine Forderungen nach umfassenden Ermittlungen, nach Gerechtigkeit und dem Ende der Straflosigkeit bin ich für diese Leute natürlich eine „Gefahr”, die, auf welche Art und Weise auch immer, eliminiert werden soll.

Sie wurden öffentlich als ”Feind des Fortschritts” bezeichnet, weil Sie gegen ein riesiges Staudamm– und Wasserkraftprojekt eintreten. Warum mischt sich da die Kirche so stark ein?

Ich bin nicht von vornherein gegen ein Wasserkraftwerk, sondern ich bin gegen die Art, wie hier vorgegangen wird. Man spricht von einem einzigen Staudamm. In Wirklichkeit werden es mehrere werden. Der ganze Xingu wird diesem Projekt zum Opfer fallen. Aber darüber spricht man nicht. Im Gegenteil. Wir werden angelogen. Schamlos! Wissenschaftliche Studien haben längst darauf hingewiesen, dass der Xingu in der Trockenzeit zuwenig Wasser führt. Das Mammutwasserkraftwerk wird darum zwischen vier bis fünf Monate im Jahr still stehen. Lohnt sich rein finanziell gesehen also ein so gigantischer Aufwand? Bis heute weiß niemand, welche Stadtteile von Altamira überflutet werden. über die Indianer und ihre Rechte wird erst einmal gar nicht gesprochen, obwohl diese in der Verfassung verankert sind. Weil ich auf diese Dinge hinweise und zusammen mit den Leuten von Altamira und Umgebung Antwort auf diese offenen Fragen fordere, gelte ich in bestimmten Kreisen als fortschrittsfeindlich. Selbst für den Bau des Staudammes sehr engagierte Abgeordnete und Politiker auf regionaler und nationaler Ebene geben heute zu, dass die Einwohner von Altamira berechtigte „Angst” vor dem Kraftwerk haben. Soll da der Bischof so tun, als ob ihn das nichts anginge?

Man bezeichnet Sie öffentlich als Provokateur. Wie sehen das die Gläubigen in Ihrer Diözese und ihre Mitarbeiter/innen?

Ich habe mich nie in der Rolle eines Provokateurs verstanden und es liegt mir auch gar nicht, jemanden zu provozieren. Es entspricht absolut nicht meinem Temperament, Unfrieden zu stiften oder Zwietracht zu säen. Die Tatsache, dass ich mich seit Jahrzehnten für die Unterprivilegierten, die Indianer, die Flussanwohner, die Armen und für den Lebensraum dieser Menschen, für Amazonien, einsetze und aller skrupellosen Ausbeutung, der großflächigen Brandrodung, dem vorsätzlichen Raubbau den Kampf ansage, genügt, Feinde zu bekommen. Ich kann aber und darf nicht anders handeln. „Wer schweigt, stimmt zu” heißt ein altes Axiom. Schweigen bedeutet hier in Amazonien aber viel mehr als woanders, nämlich die grauenhaften Verbrechen an unserer Mit–Welt zu billigen oder zu vertuschen und deren Folgen unter den Teppich zu kehren. Hier ist eine klare und unmissverständliche Position gefordert und nicht taktisches Schweigen. In Brasilien gibt es das Sprichwort „Man kann nicht gleichzeitig Gott und dem Teufel eine Kerze anzünden”. Es geht wirklich darum, Farbe zu bekennen.